In unserer neuen Schwerpunktreihe behandelt und dokumentiert der CEO und medizinischer Leiter der Autonom Health GesundheitsbildungsGmbH Dr. med. Alfred Lohninger unterschiedliche HRV-Themen, darunter auch aktuelle HRV-Forschungsbereiche.
Der erste HRV-Insight-Artikel beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die HRV-Messung auf eine Schwangerschaft auswirkt:
HRV-Messungen während der Schwangerschaft sind noch relativ selten. Aus purer Unwissenheit befürchtet man Gesundheitsrisiken. Genau das Gegenteil ist der Fall: HRV-Messungen bringen eindrucksvolle gesundheitsfördernde Vorteile. Erstmals kann damit die Schwangere individuelle Präventivmaßnahmen für sich und damit zum Wohl ihres Ungeborenen ergreifen.
Immer wieder wird behauptet, es sei medizinisch nicht indiziert, bei einer Schwangeren eine HRV-Messung durchzuführen. Fragt man, was denn genau dagegenspricht, so kommt … nichts! Man kann auch nichts konstruieren. Leider tritt hier wieder das altbekannte Phänomen auf: Schwangere sind tabu. Warum das so ist, hängt unter anderem mit Contergan, dem „größten Arzneimittelskandal der Geschichte“ im letzten Jahrhundert zusammen. Deshalb entscheiden viele völlig unbegründet, Schwangere besser nicht zu messen.
Sie kennen ja auch den Standardsatz „Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“.
Und bei fast allen Arzneimitteln wird auf jedem Beipackzettel besonders hervorgehoben, dass „Schwangere und Stillende“ Rücksprache mit ihrem Arzt halten sollen. Damit entfällt die Produkthaftung des Herstellers.
Ein halbes Jahrhundert HRV-Analytik bei der Geburtshilfe
Stichwort Arzt konsultieren: 1. Der Autor dieses Artikels ist seit 25 Jahren Frauenarzt und Geburtshelfer. 2. Die HRV-Messung kommt direkt aus der Geburtshilfe. Denn seit mehr als einem halben Jahrhundert wird zur Schwangerschafts- und Geburtsüberwachung das Cardiotocogramm eingesetzt, also der Herzton-Wehenschreiber. Und Nota bene: die HRV-Messung ist nichts anderes als ein CTG, nur weitaus präziser.
Zur Studienlage
Die internationale wissenschaftliche Studienlage zu HRV-Messung und Schwangerschaft ist nach wie vor noch recht übersichtlich. Das mag mit den oben erläuterten Gründen zu tun haben als auch damit, dass sich nur wenige Schwangere bereiterklären, an Studien teilzunehmen. Bedauerlicherweise sind die existierenden Studien zudem noch von bemerkenswert unterschiedlicher Qualität. So erzielten Wissenschaftler 2007 nach der HRV-Messung von Schwangeren im Vergleich zu Nicht-Schwangeren das Ergebnis, dass einige Schwangere höhere Herzfrequenzen und höhere Blutdruckwerte sowie eine Reduzierung einiger HRV-Parameter aufwiesen. <https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17270423/
Ergebnisse aus 2015 wiederum legen nahe, dass während der Wehen trotz Beibehalten eines begleitenden nichtlinearen Einflusses die mütterliche kurzfristige kardiale autonome Regulation schwach antikorreliert wird. Leider wird jedoch, wie so oft, der Einfluss der Atmung wieder völlig außer Acht gelassen. <https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26048301/
Bei einer finnischen Studie von 2021 ging es um die Komplexität psychischer Störungen bei Frauen während der späten Schwangerschaft in Bezug auf die Funktion des autonomen Nervensystems. <https://www.nature.com/articles/s41398-021-01401-y#Tab2
Eins lässt sich ganz klar festhalten: Unabhängig von der Herkunft der Studie und des Studienjahres hat keine der seit 50 Jahren international durchgeführten HRV-Messungen jemals einen Hinweis auf ein Risiko für Schwangere und ihre Ungeborenen erbracht.
Bestmöglicher Beginn der HRV-Messung
Bereits im Vorfeld einer Schwangerschaft liefert die HRV-Messung hilfreiche, individuelle Informationen. Wie das? Gerade in Zeiten wie diesen wird das Thema unerfüllter Kinderwunsch immer stärker. Doch viele Paare haben einen höchst individuellen Zeitplan für ihre Familienplanung. Zuerst sollen Haus und Beruf gesichert und das Fernweh befriedigt werden. Irgendwann dann um die 40 sind sie bereit für ein Kind. Leider funktioniert dieses Timing nicht immer. Denn die Fruchtbarkeit der Frauen sowie die Fortpflanzungsfähigkeit der Männer werden durch Stress, Umwelteinflüsse, ungünstiger Lebensstil etc. mehr oder minder stark beeinflusst. Genau hier kann die HRV-Messung unterstützend eingreifen. Mit einer vegetativen Funktionsdiagnostik lässt sich bestimmen, wie es um die generelle Funktionalität steht. Und nachdem auch die Fortpflanzung vegetativ gesteuert ist, können die Gemessene davon ausgehen: Wer eine gute HRV hat, bei dem funktioniert wahrscheinlich auch die Fortpflanzung noch, … und wenn nicht, empfiehlt es sich sehr, erstmal am Stressmanagement zu arbeiten.
Verlaufsbeobachtung mit HRV Messung
Wer bereits eine Messung vor der Schwangerschaft durchgeführt hat und anschließend die Schwangerschaft damit begleitet, hat gute Karten. Diese Messungen schaffen Sicherheit in jeder Phase. So, wie Schwangere ihre Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen machen und sie ein Ultraschall davon überzeugt, dass beim Kind alles „drin und dran“ ist, dass das Kind wächst, der Muttermund geschlossen ist, das Scheidenmilieu passt, so können sie mit regelmäßigen HRV-Messungen sogar ihren Lebensstil verifizieren und anschließend, wenn nötig, optimieren. Denn mittlerweile gehört es schon fast zum Allgemeinwissen: Die größte Gefahr bei der Schwangerschaft ist der Lebensstil. Dabei ist die HRV-Messung ein unbestechlicher Zeuge.
HRV und der Lebensstil der Schwangeren
Jede*r HRV-Professional weiß: Anhand der HRV-Messung lässt sich ganz klar der Lebensstil ablesen. Natürlich auch bei Schwangeren. Sie ist ihn gewohnt. Sie bemerkt nichts, hat keine Lust, gutgemeinte Ratschläge dazu zu befolgen. Durch die HRV-Bilder kann sie ihn plötzlich selbst sehen(!), nachvollziehen und ändern, z.B. ob sie genügend schläft, die Spaziergänge sie nicht überlasten, der Job ihr guttut, ein Glas Bier zum Essen in Ordnung oder das Rauchen schädlich ist. Mitunter könnte sie sogar regelrecht erschrecken, weil sie nun sehen kann, dass jeder Zug auf eine regelrechte Kindesmisshandlung hinausläuft. Die Messung weist zudem aus, ob die Schwangere einen Eisenmangel oder eine Fehlfunktion der Schilddrüse entwickelt, ob und wie sehr eine Infektion zu schaffen macht und insbesondere auch Richtung Gestose, die sog. Schwangerschaftsvergiftung. Endlich hat sie selbst ein klares und vor allem höchst individuelles Monitoring-System vor Augen.
Misst man die HRV der Schwangeren, bietet man ihr einen zusätzlichen, risikofreien Schutzmechanismus. Gegenteilige Behauptungen beruhen auf kompletter Nicht-Kenntnis. Ja, in der Medizin ist selten etwas 100prozentig. Aber dass eine HRV-Messung eine Schwangerschaft in keiner Weise beeinträchtigen kann, das ist 100prozentig.
Ammenmärchen: Herzschlagmessung des Feten
An dieser Stelle soll gleich noch mit einem weiteren Ammenmärchen aufgeräumt werden, nämlich die akustischen Sensoren würden statt dem Herzschlag der Mutter die des Kindes aufnehmen. Jede erfahrene Hebamme weiß, wie sie Herzschläge interpretieren muss. Die werdende Mutter hat einen langsameren Puls als das Ungeborene. Bei ihm liegt er im Normalfall zwischen 140 und 160. Langsamer Puls wäre ein besorgniserregendes Zeichen. Aber das EKG wird bei der Mutter am Brustkorb angesetzt. Demzufolge kann es niemals das EKG vom Ungeborenen sein.
Deshalb: Wenn alles in Ordnung ist, sollte wie beim Mutter-Kind-Pass die HRV-Messung alle sechs Wochen durchgeführt werden. Nach einer HRV-Verlaufsmessung kann die Schwangere nicht nur subjektive Empfindungen mit ihrem Arzt besprechen. Endlich hat sie damit eine eindeutige, zweifelsfreie und vor allem objektive Kommunikationsplattform und kann im Bedarfsfall aktiv gegensteuern.
Fazit
Mit nur ganz wenigen Ausnahmen verlaufen Schwangerschaften komplikationslos. Sie enden mit einem glücklichen Kind und einer glückstrahlenden Mutter. Genau diesen Prozess vom schwanger werden bis zur Geburt des Kindes können wir Frauenärzte mit der HRV-Messung intensiv fördern. Wir schaffen damit weitere Sicherheit und Vertrauen. Gerade jetzt, wo fast nur noch mit Angst und Panik gearbeitet wird, ist die HRV-Messung ein herausragendes und doch so einfaches Vertrauen bildendes Verfahren.
Übrigens lehrt uns die Traditionelle Chinesische Medizin: Alles, was die Mutter emotional erfährt, überträgt sich über einen eigenen Meridian direkt auf das Ungeborene. Die HRV-Messung bietet sich regelrecht an, für Beruhigung und Entspannung zu sorgen. Damit können die Schwangeren ihre Schwangerschaft genießen. Denn die Messung ist risikofrei, anschaulich und für jeden verstehbar sowohl für die Schwangere also auch natürlich für den werdenden Vater.
Zum Autor
Seit 25 Jahren ist Dr. Alfred Lohninger praktizierender Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe. Einer seiner Schwerpunkte liegt auf der Schwangerenvorsorge. „Schon immer war ich davon fasziniert, wie exakt wir Gynäkologen feststellen können, wie es einer Mutter und ihrem Kind vor und während der Geburt geht. Und dabei spielt das Herz die wichtigste Rolle. Während meiner Ausbildung an der Universitätsfrauenklinik Wien wurde die Herzratenvariabilität jedes Ungeborenen über mehrere Stunden überwacht. Das vor nunmehr rund 60 Jahren von E.H. Hon und S.T. Lee getestete Phänomen bestimmte das gesamte geburtshilfliche Handeln und tut es bis heute – weltweit!“
Über die Autonom Health GesundheitsbildungsGmbH
Nach einer fast 20jährigen medizinischen und technischen Erfahrung stellt die Autonom Health GesundheitsbildungsGmbH die marktführende Technologie zur Untersuchung der Herzfrequenz bereit. Und nach über 70 000 HRV-Messungen hat das Unternehmen einen unermesslich wertvollen, weil aussagekräftigen Fundus an Daten, darunter auch HRV-Messungen und -Analysen von Schwangeren.