Über den Zusammenhang von Kälte und Herzratenvariabilität

In unseren Blogartikeln informieren wir euch seit Jahren über die aktuellsten Publikationen zur HRV. Meist über Ergebnisse von groß angelegten Studien. Es gibt aber auch viele interessante Erkenntnisse aus kleineren Arbeiten, wie z.B. Seminar-, Diplom- oder Doktorarbeiten. Eine Seminararbeit wollen wir euch hier vorstellen, die zeigt, wieviel Einfluss wir selbst auf unsere Gesundheit haben. In diesem Fall – was wir tun können, um unseren Vagus zu stärken.

♥ Die Inhalte dieses Beitrages sind dieser Seminararbeit entnommen: The Effect of Cold Exposure on Heart rate Variability, L. Pühringer, 2021

Bereits seit mehreren 100 Jahren weiß man, dass es positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat, wenn wir uns kaltem Wasser aussetzen. Eine Verbesserung der Durchblutung, Hilfe bei Einschlafstörungen, Kopfschmerzen und weniger intensive Muskelschmerzen nach Trainingseinheiten sind nur einige wenige positive Eigenschaften, die dem Kältereiz zugeschrieben werden.
Wer diverse Medien in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß, dass das Eintauchen in kaltes Wasser zu einer immer beliebteren Aktivität geworden ist.  Dieses „Eintauchen in kaltes Wasser“ – engl. Cold Water Immersion (CWI) kann dem Holländer Wim Hof zugeschrieben werden. Bekannt ist er als Mann aus dem Eis. Er kann selbst bei extremer Kälte eine konstante Körpertemperatur aufrechterhalten (u.a. Tipton, et al., 2017). (https://www.wimhofmethod.com/)

Aber auch Tipps & Gründe für Wechselduschen zur Stärkung des Immunsystems, Förderung der Durchblutung, als Wachmacher, bei Einschlafstörungen etc. finden sich in regelmäßigen Abständen in den Medien wieder.

Welche Studienergebnisse gibt es bereits auf diesem Gebiet?


CWI nach einer intensiven Trainingseinheit bei Radfahrern führt zu weniger Schmerzen und einem höheren RMSSD-Wert (Stanley et al., 2012)
Es gibt einen Zusammenhang zwischen CWI und einer niedrigeren mittleren Herzfrequenz (Yeung et al.,2016)
Wie wir bereits wissen, kann man mit der HRV so einiges sichtbar machen, was in unserem Körper/in unserem Herzen als Reaktion auf innere und äußere Einflüsse passiert.
Daher ist es naheliegend, dass mit der HRV auch überprüft werden kann, welchen Einfluss CWI auf den menschlichen Organismus hat.

Die HRV beschreibt die Fähigkeit des Herzens, den zeitlichen Abstand von einem Herzschlag zum nächsten laufend zu verändern und sich so flexibel ständig wechselnden Herausforderungen anzupassen.
Dr. med. Alfred Lohninger (2021)

The Effects of Cold Exposure on Heart Rate Variability (2021) Auswirkungen von Kälteexposition auf die Herzfrequenzvariabilität

Ziel der Seminararbeit war es, die gesundheitlichen Vorteile durch CWI zu belegen. Es wurde erwartet, dass sich relevante HRV Parameter wie pNN50, RMSSD, SDNN, High Frequency (HF), Low Frequency (LF) und die Gesamtleistung verbessern.
Die Forschungsfrage dazu lautete also: „Kann Kaltwasserimmersion die HRV-Werte verbessern?“

Messprozedere

Gemessen wurde mit einem HRV-tauglichen Brustgurtsystem, die Daten wurden vom Smartphone ausgelesen und an eine dementsprechende App gesendet.

Messperson

Die Messperson war männlich, 22 Jahre, hatte keine Vorerkrankungen. Die HRV wurde jeweils morgens direkt nach dem Aufwachen erfasst.
Wichtig: Bei Kurzzeitmessungen ist eine gewisse Standardisierung notwendig, um die erhobenen Daten vergleichen zu können. Kurzzeitmessungen sind stark davon abhängig, was vor und während der Messdauer passiert. Zur Standardisierung gehört u.a.  ein zur Ruhe kommen vor der Messung (mehr Informationen zu Kurzzeitmessungen findet ihr in unserer HRVScan BroschüreBroschuere_HRVscan).
Begonnen wurde mit einer 20-minütigen HRV-Messung im Liegen. Im Anschluss wurde kalt geduscht, sich abgetrocknet und wieder ins Bett gelegt, um  eine weitere 20 minütige HRV-Messung durchzuführen. Während der Messung wurde ein Atemrhythmus mit vier Sekunden Einatmen und vier Sekunden Ausatmen gewählt, da sich der Vier-Sekunden-Rhythmus für die Testperson als das natürlichste entspannte Atemmuster anfühlte.
Insgesamt wurden sechs Duschen durchgeführt: zwei Kontrollduschen und 4 Kaltduschen.
Um die Ergebnisse zu validieren und die Möglichkeit auszuschließen, dass Anstiege der Werte durch körperliche Arbeit der Versuchsperson verursacht wurde, indem sie aufstand, auf die Toilette ging und duschte, wurden auch warme Kontrollduschen durchgeführt.
Die Wassertemperatur der warmen Duschen lag bei etwa 39° Celsius oder 102,2° Fahrenheit, bei den kalten Duschen zeigte das Thermometer einen Wert von 8° Celsius oder 46,4° Fahrenheit an.
Die Duschzeit betrug zwischen 2-5 Minuten. Buijze et al. fanden 2016 bereits heraus, dass die Länge der kalten Dusche das Ergebnis nicht beeinflusst.

Ergebnisse

Alle zuvor besprochenen HRV Werte werden durch das Duschen beeinflusst.

 Herzrate:
– Die mittlere Herzfrequenz sinkt um 1,98 % im Vergleich zu den Werten nach der warmen Dusche
– die minimale Herzfrequenz sinkt um 0,98 % im Vergleich zu den Werten nach der warmen Dusche
– die maximale Herzfrequenz sinkt nach der kalten Dusche um 0,81 % im Vergleich zu den Werten nach der warmen Dusche.

Die Werte zur Herzratenvariabilität (SDNN, RMSSD und pNN50) zeigen sowohl nach der warmen als auch nach der kalten Dusche einen Anstieg.
– Die SDNN steigt um 25,76 % nach der kalten Dusche im Vergleich zu nach der warmen Dusche
– RMSSD steigt um 35,31 % nach der kalten Dusche im Vergleich zu nach der warmen Dusche
– die pNN50 steigt um 18,93 % nach der kalten Dusche im Vergleich zu nach der warmen Dusche.

Betrachtet man die Frequenzbänder, sinkt der Very Low Frequency (VLF)-Wert nach der warmen Dusche stärker als nach der kalten Dusche. LF, HF und die Gesamtleistung steigen sowohl  nach der warmen Dusche als auch nach der kalten Dusche.
– LF steigt um 44,51 % nach der kalten Dusche im Vergleich zur warmen Dusche.
– HF steigt um 118,52 % nach der kalten Dusche im Vergleich zur warmen Dusche
– die Gesamtleistung steigt um 51,07 % nach der kalten Dusche im Vergleich zur warmen Dusche.

Diskussion

Die hier zusammengefasste Seminararbeit konnte den zu erwartenden positiven Einfluss von kalten Duschen auf die HRV zeigen.
Eine Erklärung könnte sein, dass es durch die kalten Duschen zu einer Aktivierung des Vagusnervs kommt, der wiederum zu einer Verlangsamung der Herzfrequenz führt.

Die Anstiege der HRV-Parameter RMSSD, SDNN und pNN50 deuten darauf hin, dass die Anpassungsfähigkeit an Stress steigt. Die Reduzierung des VLF-Bereichs deutet auf körperliche Entspannung hin.

Die deutlichste Wertsteigerung von der warmen Dusche zur kalten Dusche findet im HF-Band statt. Üblicherweise durch eine Änderung der Atemfrequenz aktiviert, ist die Steigerung mit fast 120 % erstaunlich hoch, da für alle Messungen der gleiche Atemrhythmus verwendet wurde. Dies deutet darauf hin, dass der starke Anstieg auf die Kaltwassertemperatur und deren Wirkung auf das autonome Nervensystem zurückzuführen ist.

Die Ergebnisse dieser Arbeit bestätigen die Vermutung, dass Kaltwasserimmersion die HRV-Werte und damit die Gesundheit des menschlichen Körpers verbessern kann. Somit gilt die Forschungsfrage „Kann Kaltwasserimmersion die HRV-Werte verbessern?“ als bewiesen.

Literatur

Buijze, G. A. et al., 2016. The effect of cold showering on health and work: a randomized controlled trial. PloS one, Volume 11, p. e0161749.
Lohninger, A. (2021). Herzratenvariabilität – Das HRV-Praxislehrbuch. Wien: Facultas.HRV Praxis Lehrbuch, 2. Aufl
Pühringer, L., 2021. The Effects of Cold Exposure on Heart Rate Variability. Seminar Paper
Stanley, J., Buchheit, M. & Peake, J. M., 2012. The effect of post-exercise hydrotherapy on subsequent exercise performance and heart rate variability. European journal of applied physiology, Volume 112, p. 951–961.
Tipton, M. et al., 2017. Cold water immersion: kill or cure?. Experimental physiology, Volume 102, p. 1335– 1355.
Yeung, S. S. et al., 2016. Effects of cold water immersion on muscle oxygenation during repeated bouts of fatiguing exercise: a randomized controlled study. Medicine, Volume 95.

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