HRV & Diabetes

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Herzratenvariabilität (HRV) und Diabetes?

 

Die Zuckerkrankheit Diabetes mellitus ist eine chronische Stoffwechselstörung, die mit einem chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel einhergeht.
Über 90 Prozent aller Diabetes-Erkrankten sind von Typ-2-Diabetes betroffen, der Beginn liegt oft im Erwachsenenalter. Typ-2-Diabetes hat zum Teil genetische Ursachen und entsteht häufig als Begleiterscheinung von Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas). Der deutlich seltenere Typ-1-Diabetes tritt meist schon in der Kindheit oder im Jugendalter auf und entwickelt sich als Folge einer Autoimmunreaktion.

Ist man an Diabetes erkrankt, kann  der Körper nicht mehr genug Insulin produzieren (Typ 1) oder nicht mehr entsprechend nutzen (Typ 2). Das hat zur Folge, dass der mit der Nahrung aufgenommene Zucker nicht ausreichend aus dem Blut in die Zellen transportiert werden kann. Es bleibt ständig zu viel Glukose im Blut über (Hyperglykämie), gleichzeitig ist die Zuckerverwertung der Zellen gestört.

Dank moderner Therapien und umfassender Behandlungsprogramme ist Diabetes heutzutage aber gut in den Griff zu bekommen.

(Für weitere Informationen zum Thema Diabetes mellitus lesen Sie bitte entsprechende Fachliteratur).

 

Diabetes und das autonome Nervensystem

Sympathikus und Parasympathikus

Im Allgemeinen löst der Sympathikus eine „Kampf oder Flucht“ -Reaktion bei Stress aus. Die Herzfrequenz steigt an, die Lunge wird erweitert oder öffnet sich, die Verdauung wird gehemmt, Pupillen werden erweitert und der Körper wird mit den Ressourcen versorgt, die er benötigt, um sich in Zeiten der Gefahr zu schützen. Der Parasympathikus reagiert „umgekehrt“ als „Rest and Digest“ -System. Es fördert die Verdauung, senkt die Herzfrequenz, erhöht den Speichelfluss, erhöht die Urinsekretion aus den Nieren und verengt die Pupillen. Sie sind keine Gegenspieler, sondern arbeiten parallel, um das homöostatische Gleichgewicht im Körper aufrechtzuerhalten.

Diabetes

Der Glukosespiegel im Blut und im Gewebe wird über eine Reihe verschiedener Prozesse aufrechterhalten, die größtenteils durch verschiedene Hormone stimuliert werden. Im Folgenden wird sich vor allem auf Prozesse, die das autonome Nervensystem betreffen, fokussiert.

Das Zusammenspiel

Bei sinkendem Blutzuckerspiegel wird bei gesunden Personen der Sympathikus aktiviert. Dadurch wird die Glukoseproduktion in Leber und Niere stimuliert und der Glukoseverbrauch in den Muskeln durch Adrenalinfreisetzung verringert. Parasympathische Stimulation hat den gegenteiligen Effekt: Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse, die die Glukoseaufnahme durch die Zellen stimuliert & Verringerung der Glukosefreisetzung aus dem Gewebe und erhöhte Glykogenbildung durch die Leber.

Eine Hypoglykämie oder ein niedriger Blutzuckerspiegel führt zu einer sympathischen Aktivierung, die den Blutzuckerspiegel erhöht, während eine Hyperglykämie, ein hoher Blutzuckerspiegel, zu einer parasympathischen Aktivierung führt, um den Blutzuckerspiegel zu senken.

Diese beiden Systeme arbeiten zusammen, um einen gesunden Blutzuckerspiegel aufrechtzuerhalten. Daher erhöht eine gestörte parasympathische Regulation (verminderte HRV) das Risiko für chronische Hyperglykämie und Hyperinsulinämie (erhöhte Insulinspiegel, auch als Insulinresistenz bekannt), was ein Vorläufer für Diabetes mellitus ist.

 

HRV & Diabetes 

Die kardiale autonome Neuropathie – eine Beeinträchtigung der Nerven – bei Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus ist häufig und geht mit einer hohen kardiovaskulären Mortalität einher. Die Herzratenvariabilität (HRV), als Messsystem zur Erfassung der Veränderungen im autonomen Nervensystem, eignet sich daher zur Messung.

Einige interessante Studienergebnisse der letzten Jahre

Kudat & Kollegen (2006) untersuchten die kardiovaskuläre autonome Neuropathie bei Diabetikern (31 Personen) und gesunden Kontrollpersonen (30 Personen) anhand der HRV. Es zeigte sich, dass sowohl Zeit- (pNN50, SDNN, RMSSD) als auch Frequenzdomänenparameter (High Frequency, Low Frequency) der HRV bei Diabetikern gegenüber den gesunden Kontrollpersonen reduziert waren. Das bedeutet, dass sowohl die sympathische als auch die parasympathische Aktivität reduziert waren, was durch die schädlichen Auswirkungen des veränderten Glukosestoffwechsels auf die HRV erklärt werden kann, die zu einer kardialen autonome Neuropathie führen kann.

Javorka et al. (2008) analysierten HRV-Messungen von 17 jungen Patienten mit Typ 1 Diabetes und 17 gesunden Kontrollpersonen. Es zeigte sich, dass Diabetespatienten eine unterdurchschnittliche HRV aufwiesen.

Auch Benichou und Kollegen (2018) kamen zu einem ähnlichen Ergebnis bei der Untersuchung von Personen mit Typ 2 Diabetes. Typ 2 Diabetes verursacht allgemein eine Reduzierung der HRV. Sowohl die sympathische als auch parasympathische Aktivität waren reduziert, was durch die schädlichen Auswirkungen des veränderten Glukosestoffwechsels auf die HRV erklärt werden kann. Das wiederum kann zu einer kardialen autonomen Neuropathie führen.

 

Fazit

Bisher sind noch nicht alle Auswirkungen von Diabetes auf die HRV geklärt, ein großer Schritt ist aber bereits getan. Mehrere Forscher verschiedener Studien haben festgestellt, dass Diabetes, egal ob Typ 1 oder Typ 2, zu einer Reduzierung der HRV führen kann. Dabei wurden unterschiedliche Parameter untersucht, zeit- und frequenzabhängige. Wenig untersucht ist der Bereich der VLF, obwohl dieser als wirksamster unabhängiger Prädiktor für Mortalität bei Patienten mit einer Herzinsuffizienz gilt.

 

HRV & Diabetes im HRV-Spektrogramm

Im HRV-Spektrogramm eines 62-Jährigen Mannes mit Diabetes und Übergewicht zeigt sich eine deutliche Reduzierung der HRV. VLF und LF liegen unter dem Durchschnitt gleichaltriger Männer, die Herzrate über 24h liegt stark über dem Durchschnitt.

 

Der zweistellige GVI, das hohe biologische Alter und die reduzierte pNN50 sind nur einige ausgewählte Parameter, die darauf schließen lassen, dass das Gesamtsystem des Gemessenen stark belastet ist.

Natürlich kann und soll nicht nur aufgrund einer reduzierten HRV auf Diabetes geschlossen werden. Diagnostik geschieht immer in Kombination mit Anamnese und weiteren, eventuell medizinischen, Abklärungen. Jedoch kann die HRV genutzt werden, um die Belastungen des Systems u.a. bildlich darzustellen.

 

(Hinweis: Von einer reduzierten HRV kann nicht automatisch auf Diabetes geschlossen werden.)

 

Benichout, T., Pereira, B., Mermillod, M., Tauveron, I, Pfebigan, D., Magdasy, S. & Dutheil, F. (2018). Heart rate variability in type 2 diabetes mellitus: A systematic review and meta-analysis. PloS one 13(4), e0195166.

Kudat, H., Akkaya, V., Sozen, A., Salman, S., Demirel, S., Ozcan, M., … Guven, O. (2006). Heart Rate Variability in Diabetes Patients. Journal of International Medical Research34(3), 291–296. https://doi.org/10.1177/147323000603400308

Javorka, M., Trunkvalterova,Z., Tonhajzerova, I., Lazarova, Z., Javorkova, J & Javorka, K. (2008). Recurrences in heart rate dynamics are changed in patients with diabetes mellitus. Clinical Physiology and Functional Imaging, 28(5), 326-331. https://doi.org/10.1111/j.1475-097X.2008.00813.x

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